Geschichte des Schafhofes

Burgjoss ist der älteste Ortsteil der Gemeinde Jossgrund und wird erstmals anno 850 im Güterverzeichnis des Klosters Fulda erwähnt. Es wurde zu drei Vierteln von Fulda und zu einem Viertel von den Herren zu Ysenburg erbaut. Mit dem Ort sind die Geschlechter der Herren von Jazaha (Jossa), die im 12. Jahrhundert die Wasserburg an der Joss errichteten, und derer von Hanau, von Thüngen, von Jülich und von Hutten verbunden. Die Herren von Hutten vereinigten beide Teile. Anno 1541 erwarb der Kurstaat Mainz durch Kauf Burgjoss.

Das Kurfürstentum verfügte bis 1803 über die Burg und Land. Danach herrschte sieben Jahre lang das Fürstentum Aschaffenburg. Von 1810–1814 war der Jossgrund Bestandteil des Großherzogtums Frankfurt. 1814 fiel das Gebiet um Bad Orb an die Krone von Bayern. Nach dem Krieg von 1866 wurde das Amt preußisch.

Wann der Schafhof entstand, in dem sich das Café befindet, ist nicht genau bekannt. Seine Geschichte ist aber eng mit dem Werdegang der Wasserburg verbunden. Vorliegende Aufzeichnungen von Johann Michael Hamberger (1654) und Johann Balthasar Hamberger (1668) besagen, dass "vom hochlöblichen Erzstift Mainz" anno 1540 außer der Burg (Schloß) und dem Gericht auch das Schäfereyguth hinter dem Schloß von denen von Hutten erkauft worden ist. Das Schäfereyguth bestand also schon unter der Herrschaft der Hutten, vielleicht auch schon unter einem der Vorbesitzer, was aber nicht belegt ist. Weiter heißt es bei Hamberger, dass nach dem Dreißigjährigen Krieg vom Schäfereyguth hinter dem Schloß Haus, Scheuer und Stall eingefallen sind und dass hundert Malter (Hohlmaß, als Getreidemaß genutzt) Feld und zwölf Tagwerk (Flächenmaß) Wiesen zum Schäfereyguth gehörten. Hamberger berichtet, dass die Untertanen auf dem Schäfereyguth und auf den Pferchfeldern die Arbeit verrichten mussten. Es heißt da: "Die Unterthanen allhier seynd Ihro Churfürstliche Gnaden ein ohngemeßener Frohn schuldig außer dem Zackern, da ein jeder 4 dag das Jahr auf dem pferch feld zu pflügen schuldig. – Außerdem, wan zu Erndzeiten von den Unterthanen Frücht auf dem schäferey- oder pferchfeldern geschnitten wird". Hamberger schreibt immer nur vom Schäfereyguth und den Pferchfeldern, nicht aber von den Schafen; vermutlich war die Herde durch den Krieg stark dezimiert oder gar ganz vernichtet worden und musste nach dem Krieg erst wieder durch Nachzucht herangezogen werden.

Das war also die Situation kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg unter dem Mainzer Zepter. Die Arbeit auf den Feldern ging sowieso weiter, wie Hamberger berichtet. Es fehlen uns aber leider entsprechende Aufzeichnungen von den nachfolgenden 140 Jahren der Mainzer Zeit. Das gleiche gilt für die erste Zeit unter der bayerischen Krone. Dass die Burg (Schloß) Sitz der bayerischen Forstverwaltung war, ist belegt. Wie aber der bayerische Staat das Schäfereyguth und die zugehörigen Gebäude und Felder genutzt hat, ist uns nicht bekannt. Der Schafhof in seiner heutigen Form wurde als zweigeschossiger, dreizoniger Bau aus Sandstein mit freitragendem (!), aus Eichenholz gefertigtem Satteldach im Jahre 1787 wieder errichtet. Jahreszahl und Mainzer Wappen sind im Sturz des mittleren Gebäudetores noch sichtbar erhalten.

Ungefähr ab dem Jahr 1850 war ein privater Besitzer namens Friedrich zu Schenk von Schweinsberg Herr auf dem Schäfereyguth. Er besaß neben der Nutzung seiner Gutsflächen Hut- und Pferchrechte (Befugnis, Einzäunungen aufzuschlafen, um darin die Schafe zur Düngung der Felder nachts lagern zu lassen) in den Revieren der bayerischen Forstbehörde an der Jossa sowie auf den Gemarkungen der Gemeinden Mernes bis Lettgenbrunn sowie auf der Gemarkung Deutelbach. Seine Herde bestand 1874 aus ca. 600 Schafen. Die Gemeinden (Burgjoß, Oberndorf, Mernes und Deutelbach) hatten zu gleicher Zeit noch ca. weitere 1000 Stück, die sie den Herden des Gutsbesitzers "beitreiben" durften. Im Jahr 1874 fand ein Rezess (Auseinandersetzung und Vergleich) zwischen der neuen Landeshoheit Preußen einerseits und dem Gutsbesitzer von Schweinsberg sowie den Gemeinden andererseits statt. Schweinsberg und die Gemeinden verzichteten auf die Hut- und Pferchrechte und erhielten vom Staat Preußen eine Abfindung. Vermutlich hört von Schweinsberg danach mit der Schafhaltung auf.

Von ihm kaufte um 1880 herum der Bauunternehmer Heinrich Adami aus Gießen Haus und Ländereien. Die Ländereien forstete er zum Teil auf, das Haus nutzte er als Wohnsitz für sich und seine Familie. Es gab dann im Schafhof auch Pächter, so zum Beispiel in den Jahren vor und nach 1900 einen Wirt namens Franz Bacher, der die Gaststätte "Zur Bretzel" betrieb. Später verbrachte hier der pensionierte Forstmeister Jacobi mit Anhang seinen Lebensabend.

Im Jahr 1930 erwarb der Fabrikant Georg Hartmann aus Frankfurt das Anwesen und gestaltete es zu seinem Landsitz für das Wochenende. Später, nach der Zerstörung seiner Frankfurter Wohnung bei Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg, war es auch sein dauernder Wohnsitz. Hierher hatte er auch schon vorher einen Teil seiner umfangreichen Kunstsammlung in Sicherheit gebracht. Über das Wesen dieses Mannes, über seine Arbeit als Besitzer der Bauer'schen Gießerei und seinen hierdurch erworbenen weltweiten Bekanntheitsgrad auf dem Gebiet der Schriftgießerei kann man u.a. in der Festschrift zu seinem 75. Geburtstag nachlesen, die auch seine Zeit in Burgjoß beleuchtet (Erhard Göpel, Gang nach Burgjoß, in: Festschrift Hartmann 1945/46, S. 37-48). Was aber aus der Sicht von uns Burgjoßern zu sagen ist, würde zu viel Platz in Anspruch nehmen. Nur so viel: Georg Hartmann hatte ein großes soziales Empfinden für Burgjoß und wir haben ihm viel zu verdanken. Der sichtbare Ausdruck dafür ist hier die Straße, die nach ihm benannt wurde. Hartmann ist Ehrenbürger von Burgjoß wie auch einer der nur 27 Ehrenbürger der Stadt Frankfurt.

Nach seinem Tod im Jahre 1954 wurde eine Erbengemeinschaft Eigentümer des Anwesens. Das Herrenhaus musste Anfang der sechziger Jahre wegen Holzschwammbefall abgerissen werden. Die ehemaligen Wirtschaftsgebäude wurden zu Wohnzwecken umgebaut. Die Interessen der Erbengemeinschaft am Schafhof gingen mittelfristig auseinander. Die Ländereien wurden verkauft, übrig blieb das Grundstück mit den aufstehenden Baulichkeiten. Hierfür fand sich ein Käufer, ein österreichischer Landsmann, der nach dem Erwerb eine Zeit lang im Schafhof wohnte, dann aber das Haus verließ und es verkaufen wollte. Allerdings fand sich über Jahre hinweg kein Käufer mit dem Resultat, dass aus dem einstmals schönsten Anwesen in Burgjoß und im gesamten Jossgrund ein verwahrlostes, verwildertes und total vergammeltes Areal wurde.

Nachdem die Immobilie mehrmals erfolglos zur Versteigerung anstand, bildete sich aus einem Dutzend Burgjoßer Bürgern eine Interessengemeinschaft, die im September 2008 den Schafhof mit dem Vorsatz ersteigerte, diesen seinem historischen Ansehen entsprechend wiederherzustellen. Das ist für Burgjoß eine sehr erfreuliche Tatsache.

(Aus den Aufzeichnungen des Heimatkundlers Oskar Amberg, Burgjoß, Oktober 2008, und weiterer Quellen)